Nun gut, wir sind im SM-Umfeld unterwegs. Wir sprechen über sexuelle Praktiken. Wir schreiben Geschichten über SM, die unterhaltsam sein sollen und tiefgründig, erbauend und informativ. Nur eines dürfen sie anscheinend keinesfalls sein: Das Pfuiwort lautet ‚Wichsvorlage’. Will man heute einen Autoren loben, dann schreibt man, sein Werk hebe sich wohltuend von den unzähligen Texten oder Büchern ab, die mancher Leser einhändig hielte, weil die freie Hand…
Warum ist die gute alte *WV* so verpönt? Ich meine, wie viele glückliche Stunden habe ich in meiner Jugend verbracht, eben weil es solche gab (ich erinnere mich an ‚Coras Hörige’, die ‚Mutzenbacher’ oder ‚Sexmaschine’)? Wie ertappt fühlte ich mich, als ich die Zeilen des göttlichen Marquis las, als er schrieb, das Buch würde den Leser ab und an seinen Samen kosten?
Zudem: Wäre es nicht sogar ein Qualitätsmerkmal, wenn in Zeiten, in denen Bilder von Filmen abgelöst wurden, es ein geschriebener Text schaffen würde, eine ‚Wichsvorlage’ zu sein?
Wirken geschriebene *WV* eigentlich anders als die bewegten Bilder? Gelingt es vielleicht sogar, Anspruch mit *WV*-Qualitäten zu verbinden?
Und apropos Anspruch: Muss es wirklich ganz und gar explizit sein um *WV*-artig zu wirken? Oder kann es gelingen, dem Leser indirekt Bilder in den Kopf zu setzen, die dann in seinem eigenen Film ablaufen?
Ist das vielleicht dass Geheimnis einer guten geschriebenen *WV*, dass sie dem Leser Freiheiten der Ausgestaltung einräumt?
Fragen über Fragen.
Fest steht, ich mag sie, die gutgeschriebene Wichsvorlage, deren Selbstzweck ausschließlich in der Erregung des Lesers besteht. Sie ist wenigstens ehrlich.
Und wenn sie tief genug eintaucht, wer weiß…?