Der Schreiber

 

Ich schreibe gerne, und das meine ich wörtlich. Schreiben ist für mich ein physischer Genuss. Ja, ich weiß, sicherlich hast du nun die Vorstellung eines Menschen, der mit Tintenfüller auf Papier schreibt, es gibt ja auch viele von der Sorte, die das machen, die sich lächerlich teure Montblanc–Füller kaufen, um zu schreiben, aber so ist es bei mir nicht.

Zugegeben, erst neulich wieder habe ich historische Folianten gesehen, echte aus dem dreizehnten Jahrhundert, aber auch nagelneue Faksimile, in Schweinsleder gebunden, und beide hatten ihren Reiz, Texte mit Tinte kunstvoll auf Pergament geschrieben, Seite für Seite, Buchstaben für Buchstaben, verziert mit kunstvollen Ornamenten, mit Arabesken, mit Fabeltieren, mit Engeln und mit Teufeln. Ich liebe es, solche Bücher zu sehen, in ihnen zu blättern, aber es fehlt mir der Impuls, selber so zu schreiben.

Nein ich schreibe ausschließlich mit Bleistift. Hart muss er sein, mindestens 5H sollte der Härtegrad betragen, denn ich schreibe ziemlich klein, und das Holz sollte am besten Zeder sein. Ich liebe den Geruch von Zederholz, wie er sich entfaltet, wenn ich den Bleistift anspitze, und das tue ich sehr oft. Bevor ich schreibe, und natürlich auch während des Schreibens mache ich reichlichen Gebrauch vom Spitzer. Es ist sinnlicher Akt und Notwendigkeit zugleich, den noch nicht ausreichen spitzen Stift in den hohlen Konus des Gerätes einzuführen, so weit, bis ein leichter Presssitz erreicht ist, und den Zedernholzschaft dann mit den Fingerspitzen gefühlvoll und mit leichtem Druck in Drehung zu versetzen, um ihn der scharfen Klinge der Vorrichtung zu überantworten, die eine in erster Näherung endlose, dünne Schicht des Holzes abhebt, einen nahezu beliebig langen Streifen Zederholz mit einem schmalen, bröckeligen Rand aus Graphit daran, der ohne die Stützwirkung des Holzes sofort in Krümel zerfallen würde. Ist das Werk dann vollbracht, prüfe ich mit scharfem Auge die Spitze der freigelegten Mine, die bedingt durch den hohen Härtegrad wirklich nadelfein auszulaufen in der Lage ist. Überzeugt mich das Resultat, so mag ich beginnen.

Zu Schreiben.

Ich schreibe nicht auf Papier, welches sich als Medium sowieso als ungeeignet herausgestellt hätte, denn für Papier ist die Spitze viel zu hart, nein, ich schreibe auf Karton, auf alte, mehrfach ausradierte Karteikarten.

Ich schreibe klein, präzise und ziemlich schnell.

 

Ich tue das, weil ich kommunizieren will. Schreiben ist eine Art der Kommunikation, natürlich ist es das, und die spezifische Art eben dieser Kommunikation hat mich seit je her fasziniert. Indem ich schreibe, lege ich mich fest. Anders als das gesagte Wort ist das geschrieben wenn auch nicht für die Ewigkeit, so doch zumindest für lange Zeit dokumentiert, und das ist eine Herausforderung. Zum geschriebenen Wort muss man stehen, da führt kein Weg daran vorbei, gerade zu dem handschriftlich Niedergelegten. Hinzu kommt, dass der Schreiber sich im Augenblick des Schreibens nicht gewiss sein kann, dass er auch gelesen wird. Er schreibt gleichsam für die Unendlichkeit wie auch für das Nichts. Auch das gilt es zu bedenken.

Wenn man schreibt.

Nun schreibe ich also, ziemlich schnell, klein und auch präzise. Die so feine wie unbarmherzig schmal zulaufende Spitze wird von meinen Fingern über die kartonierte Oberfläche gezogen, in den Linien, die vereinbarungsgemäß Buchstaben sind und Laute darstellen, die sich zu Wörtern formen, welche Sätze bilden, dabei handelt es sich doch um nichts anderes, als um den sparsamen Abrieb des harten Graphits auf einer gebleichten Fläche zerstampften Holzes, und ich schreibe für dich.

 

Ich schreibe für dich, weil das die Art der Kommunikation ist, die ich für dich gewählt habe. Ich schreibe für dich, weil ich nicht sicher bin, dass du es lesen wirst. Natürlich könnte ich auch zu dir sprechen, auch das wäre möglich, doch letzten Endes habe ich Abstand davon genommen, es erschien mir einfach als nicht angemessen. Mit dir zu sprechen, das wäre geradezu absurd. Es widerspräche unseren Rollen. Und bevor ich zu dir spreche, da schreibe ich lieber, das ist einfach sauberer, präziser, und wie ich bereits erwähnte, schreibe ich ja auch ziemlich schnell, in kleinen Buchstaben. So ist also die Art unserer Kommunikation: ich kommuniziere zu dir. Nicht mit dir, das wäre ganz und gar abseitig.

Du musst nicht kommunizieren, nicht im herkömmlichen Sinn, denn du bist schön. Ich bin das nicht.

Das soll nun kein Lamento werden, nein, es ist wie es ist: du bist die Schöne, und ich bin der Schreiber. So hat ein jeder seine Rolle. Während du bist, was du bist, während du wirkst mit deiner Schönheit, gänzlich in dir selbst ruhend, so kommuniziere ich, fabuliere, schaffe ganze Welten, die uns einhüllen, uns tragen und erwärmen und das ist gut so. Stell dir nur einmal vor, ich würde versuchen, schön auszusehen – ein ziemlich absurder Gedanke, ich weiß – und du würdest dich in die Kommunikation einbringen. Welch ein Chaos würde da entstehen, welche Dissonanzen würden im Raum herum schwingen und wabern: was für ein Grauen.

Nein, die Trennung, die Teilung der Funktionen ergibt einen guten Sinn.

Und ich schreibe, dass es wohlgetan.

 

Nicht jeder kann mir hier folgen, ich weiß das wohl, doch das ficht mich nicht an.

Viele machen sich lustig, stellen sich über jene, die sich mit dem Abbild begnügen, denen es gelungen ist, die Essenz der Schönheit zu destillieren. Die das Wesen der Frau, der schönen Frau, reduzieren auf das Wesentliche, auf das schöne Äußere.

Da könnte man gleich eine Puppe lieben, sagen sie?

‚Aber natürlich’, will ich rufen, oder besser schreiben, in geringfügig größerer Schrift will ich das schreiben: natürlich ist es die Puppe, und wenn sie gut gemacht ist, warum auch nicht? Welche Meisterwerke können heute aus Silikon und Stahl gefertigt werden, welches Ebenmaß der Glieder kann erzeugt werden, weich und elastisch zugleich. Und für die Ewigkeit gemacht, so wie meine Schriften.

Könntest du nur kommunizieren, was ja keinesfalls deine Rolle ist, du würdest mir zustimmen, natürlich würdest du das, doch letzten Endes ist das nicht notwendig, ich weiß es auch so, denn ich bin derjenige, der uns einhüllt mit Worten und Sätzen, die uns einen Sinn geben.

Und schön bist du, in der Tat. Ich sehe dich an, und was ich sehe, das ist wohlgetan. Dein Leib, dein regloser Leib, wie schön ist er in seinen schwellenden Rundungen, wie schön… Deine Brüste, deine hellhäutigen Brüste mit den rosigen Warzen, deine schlanken Schenkel, die nun gerade leicht geöffnet sind, jetzt da du reglos auf dem Stuhl sitzt, dein Bauch, flach und doch sinnlich: so schön bist du, so unglaublich schön…

Deine Arme, deine Hände, hinter der Lehne gekreuzt, so wie es sein soll, ach…

 

Doch was ist das? Was?!

Ich weiß wohl, dass du nicht perfekt bist, noch nicht, ich weiß, dass deine Augen bisweilen blinzeln müssen.

ABER EBEN HAT SICH DEIN MUNDWINKEL BEWEGT!

 

„Wo ist das scheiß Elektrodingens jetzt, wo ist dieser verfickte Taser?

Ah, da ist er ja.“

 

Brrrrrrrzzzzzz.


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